Ehemals unabhängige Berichterstattung vom NSU-Prozess. Gegen Rechtsextremismus, Größenwahn und Verlogenheit in der Gesellschaft. Ein Angebot für alle Antifaschistinnen und Antifaschisten. (jpo)
Wem auch immer diese Idee mit tatsächlicher Umsetzung eingefallen ist, der sollte schleunigst seinen Schreibtischstuhl räumen, eine weiße Farbrolle zur Hand nehmen und dieses Graffito – wie schon bei der eigentlichen Ausführung im Auftrag der Stadt München – in mühevoller Kleinarbeit bis zur Unkenntlichkeit übermalen.
Reicht das Geschichtsgedächtnis der dafür verantwortlichen städtischen Mitarbeiter tatsächlich nur vom Frühstück bis zum Mittagessen? Oder wie lässt sich erklären, dass etwa 7,5 Jahre nach der sogenannten Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) ein mehrere Meter hohes „Paulchen-Panther“-Symbol nur wenige hundert Meter neben einem NSU-Tatort an die Wand gepinselt wurde? Zur Erinnerung: An diesem Tatort wurde vor etwa 14 Jahren ein Mensch aufs Brutalste erschossen – mutmaßlich durch den NSU. DIE identitätsstiftende Figur ist eben dieser Paulchen-Panther, den viele noch aus ihrer Kinderzeit lieben und nun zur angstbesetzten „Unperson“ mutierte. Diese Figur in dieser Größe an eine Hauswand zu malen, verhöhnt alle Opfer, Angehörige und alle, die sich mit dem Thema NSU und Rechtsradikalismus beschäftigen. Wer denkt, dass es peinlicher nicht mehr geht: Praktisch alle Ermittlungsbemühungen, die NSU-Mordserie aufzuklären, wie Behörden, Verfassungsschutz, Polizei und wer auch da sonst noch involviert war, glänzten über Jahre hinweg durch absolute Unfähigkeit, Vertuschung und sogar rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Ermittlungsbehörden. Im direkten Vergleich ist das Drama, welches das Anbringen der nur aus unmittelbarer Nähe lesbaren sehr (!) kleinen Tafeln, die zur Mahnung an den Münchner Tatorten ausgelöst hatte, ein einziger Witz. Und zwar ein ganz schlechter. Entweder reagierte die „öffentliche Meinung“ wie erwartet, nämlich von gar nicht, über Sarkasmus, bis hin zu rassistischen Äußerungen. Es hat sich seit dem NSU nichts geändert. Im Gegenteil, es ist alles nur noch schlimmer geworden. Stichwort: Todeslisten. (jpo)
Das hat nicht einmal der NSU geschafft: Eine „singuläre Vereinigung aus drei Personen“ – so die Anklage – ermordete 9 Menschen mit Migrationshintergrund, dazu noch eine Polizistin und verübte mehrere Bombenanschläge und Banküberfälle. Zur jetzigen Zeit – man verzeihe mir die Wortwahl – ein grausamer Witz. Zumindest im Vergleich zu heute, wo wir jederzeit mit einer weit größeren von rechts gesinnten Personen mit einer Anschlagsserie von unabschätzbaren Ausmaßen konfrontiert werden könnten.
Die grausame Mordserie des NSU erstreckte sich über Jahre. Die Ermittlungsbehörden, Polizei und nicht zuletzt der Verfassungsschutz haben in einem Maße versagt, dass einen auch noch heute fassungslos macht. Im Nachhinein stellte sich unter anderem heraus, dass der damalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hans-Georg Maaßen nicht nur völlig versagt hat, sondern auch durch rechte Äußerungen unangenehm auffiel.
Hans-Georg Maaßen
Quelle: Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme
Zu seiner Ehrenrettung: Er war nicht während der NSU-Mordserie der Chef des BfV, aber als hochrangiger Beamter später in die Ermittlungen involviert. Allerdings hat er bei der Aufarbeitung der Mordserie nicht nur komplett versagt, sondern die Ermittlungen in eine Richtung gelenkt, die sehr erstaunlich ist. Nämlich die rechtsorientierten Mitbürger, so weit es in seiner Macht stand, in Sicherheit zu wiegen. Eine deutliche Annäherung von Maaßen zur AfD kann heute aber nicht mehr geleugnet werden.
Nun scheinen die Behörden, deren Aufgabe es eigentlich ist Bürger zu schützen, Gefahren zu erkennen und abzuwehren wieder zu versagen. Das Problem Rechtsextremismus ist ihnen völlig aus den Händen geglitten.
Offenbar gibt es Listen mit Morddrohungen, die Tausende betreffen. Selbst in einer Kleinstadt – in der ich auch lebe – gibt es kaum noch jemanden, der sich für Migranten einsetzt sich nicht mit Beschimpfungen, Drohungen bis hin zu Morddrohungen konfrontiert sieht.
Und jetzt auch noch Carola Rackete. Die Kapitänin der Sea-Watch 3 hat kürzlich mehr als 50 Menschen im Mittelmeer aus akuter Seenot gerettet. Hätte sie nicht gehandelt, dann hätte die Öffentlichkeit vom Tod dieser Menschen und den täglichen Grausamkeiten, die sich im Mittelmeer abspielen, keinerlei Notiz genommen.
Carola Rackete, eine wahre Heldin unserer Zeit, die sich mit bornierten Politikern, unfähigen und gewissenlosen Behörden anlegt und dabei sehr (!) viele Menschen vor dem sicheren Tod rettet. Was ist eigentlich in den letzten Jahren in Deutschland geschehen, dass die Zustände so sind, wie sie jetzt sind?
Eine Erklärung von vielen könnte das Urteil des NSU-Prozess sein. Dieses hat die rechtsextreme Szene unbestreitbar gestärkt. Aber auch die sogenannten besorgten, rechtsorientierten Bürger haben hier einen großen Anteil. Die AfD sowieso.
Thomas Gerlach (li.) am 01.07.14 (gut gelaunt) – Foto: J. Pohl
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Frank Schurgast poste ich hier eine Auswahl der Drohungen an Frau Rackete:
Liebe Carola, auch du Negerliebhaberin hast es nun auf unsere Abschussliste geschafft. Deine Fratze findet sich nun ebenfalls auf unserer Todesliste Staatsstreichorchester
Lass die Bimbos im Meer ersaufen, ansonsten werden wir mit dir und diesen dunkelhäutigen Sklaven und Untermenschen ähnlich verfahren wie mit der Negerfotze auf dem Bild. Staatsstreichorchester
Als Anhang der Drohungen findet sich wohl ein äußerst grausames und unzensiertes Bild eines um die 14 Jahre alten Mädchens, welches gevierteilt wurde. Ist etwas schlimmeres eigentlich denkbar?
Die Münchner Polizei hat im Übrigen Ermittlungen gegen die Gruppierung „Staatsstreichorchester“ aufgenommen. Viel zu spät und vermutlich auch wenig engagiert.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder wegen einem oder mehreren rechtsextremistischen Morden staunen werden. Und wieder wird die Frage auftauchen: Wie konnte es so weit kommen? Welche Behörde ist dafür verantwortlich? Die ersten Ermittlungsergebnisse werden sicher von einem Einzeltäter, im Extremfall von einer „singulären Vereinigung aus drei Personen“ ausgehen. (jpo)
Band 1: Beweisaufnahme & Band 2: Plädoyers und Urteil, Materialien
Am 11. Juli 2018 wurde das Urteil im NSU-Prozess gesprochen. Vorausgegangen waren 438 Verhandlungstage. @ARamelsberger, @WiebkeRamm, Tanjev Schulz und Rainer Stadler haben den Prozess aufgezeichnet und somit dauerhaft für die Nachwelt festgehalten. Ungekürzte Ausgabe in 2 Bänden. Die 2 Bände sind auch für den kleinen Geldbeutel geeignet: Für nur 7.- Euro bekommt man die Bücher mit mehr als 2.000 Seiten nach Hause geliefert. Versandkosten kommen noch zusätzlich hinzu, da die beiden Bände vermutlich mehr als 1 kg auf die Waage bringen. Unverzichtbar für alle, die den NSU-Prozess verfolgt haben und Zweifel hegen.
18. Dezember 1998, gegen 18 Uhr, ein Edeka-Markt am Rand von Chemnitz: Die Hauptkassiererin hat eben die Tageseinnahmen eingesammelt, als ein Mann schreit: „Dies ist ein Überfall!“ Zwei Maskierte stehen in dem Markt. Einer bedroht die Kassiererin mit einer Pistole. Sie gibt ihm das Geld, etwa 30.000.- D-Mark. Die zwei flüchten. Dabei schießen sie um sich. Vor dem Oberlandesgericht in München schildert im Juni 2015 ein junger Mann, wie ihm eine Kugel knapp am Kopf vorbeigeflogen ist. Die Täter nehmen den Tod von Passanten in Kauf. Für die Bundesanwaltschaft waren es Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.
Mit diesem schweren Raub soll die Terrorserie des Nationalsozialistischen Untergrundes, der neun Migranten und eine Polizeibeamtin zum Opfer fielen, begonnen haben. 14 weitere Banküberfälle folgten, bei denen Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Opfer, die kaum bekannt sind. Und noch eine Frage ist ungeklärt: Welches Wissen hatte der Verfassungsschutz über die Raube?Weiterlesen →
Thomas Gerlach ist einer der aktivsten Neonazis aus Thüringen. Er leugnet seine ultrarechte Einstellung nicht, sondern er schildert sein krudes Weltbild in geradezu unerträglicher Art und Weise. Gerlach war unter anderem Mitglied beim Thüringer Heimatschutz (THS), also der Organisation aus der vermutlich der NSU hervorgegangen ist. Zudem werden Gerlach engste Verbindungen zu den rechtsextremen und gewaltbereiten Hammerskins nachgesagt. Er sagt am 10.07.2014 bereits zum 2. Mal aus. Seine 1. Vernehmung am 01.07.2014 wurde vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl abrupt unterbrochen.
Gleich nach der Begrüßung um 13:10 Uhr erinnert Richter Götzl den Zeugen Thomas Gerlach an die Belehrungen zu einem möglichen Aussageverweigerungsrecht und zur Anwendung von Ordnungsmitteln aus der letzten Vernehmung vom 01.07.2014.
Götzl: „Erinnern Sie sich noch daran?“
Gerlach: „Ja.“
Götzl: „Sind Ihnen Personen aus der Schweiz oder Portugal bekannt, die Waffen besorgen können?“
Gerlach: „Ich kenne Leute aus der Schweiz und Portugal. Ob die eine Waffe besorgen können? Ich weiß es nicht.“
Götzl: „Ich frag nochmal: Personen, die Waffen besorgen können?“
Gerlach: „Nein.“
Götzl: „Haben Sie selbst Waffen beschafft? In dem Zusammenhang belehre ich Sie nochmals nach § 55 StPO, dass Sie auf Fragen, die Sie selbst belasten könnten, nicht antworten müssen.“
Gerlach: „Nein.“
Götzl: „Zu den Hammerskins: Kennen Sie das Logo der Hammerskins?“
Gerlach: „Ich werde zu den Hammerskins nichts sagen. So wie ich es letztes Mal hier auch gesagt habe.“
Götzl: „Gar nichts ..?“
Unterstützung für Gerlach durch Wohlleben-Verteidigung?
Wohlleben-Verteidiger RA Klemke springt Gerlach mit seiner Wortmeldung bei: „Der Verteidigung Wohlleben ist bekannt, dass es 2003 ein Ermittlungsverfahren gegen das „Chapter Sachsen“ der Hammerskins wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB, gegeben hat. Es gab da auch Hausdurchsuchungen bei dem Zeugen. Wir sollten erst prüfen, ob das Verfahren noch bei der Staatsanwaltschaft Dresden anhängig ist.“
Mit diesem Einwand will RA Klemke dem Zeugen Thomas Gerlach offenkundig die Möglichkeit eröffnen, sich auf § 55 StPO zu berufen. So könnte sich Gerlach problemlos weigern, Fragen zu den Hammerskins zu beantworten. Allerdings nur dann, wenn dieses von RA Klemke ins Spiel gebrachte Verfahren noch nicht eingestellt ist. RA Klemke lässt es sich nicht nehmen, mit einer gewissen Süffisanz seine Gesinnung darzustellen und schiebt folgendes Statement hinterher: „Gegen Rechts wird ja in letzter Zeit öfters ermittelt.“
Richter Götzl lässt sich nicht provozieren und fragt betont sachlich bei RA Klemke nach: „Ja, haben Sie denn Kenntnisse dazu?“
RA Klemke: „Nein.“
Götzl: (An Gerlach gerichtet) „Und Sie?“
Thomas Gerlach (li.) am 01.07.14 – Foto: J.Pohl
Gerlach: „Es gab mal ne Hausdurchsuchung, es wurde schon ermittelt. Glaube, ich hab keine Einstellung bekommen.“
Götzl: „Wurde gegen Sie ermittelt?“
Gerlach: „Ja.“
Götzl: „Wann?
Gerlach: „2003“
Götzl: „Und keine Einstellung ..?“
Gerlach: „Nein.“
Ratlosigkeit im Senat: Themenwechsel
Es folgt eine lange Pause. Richter Götzl berät sich mit den übrigen Mitgliedern des Senats. Im Saal herrscht absolute Stille.
Götzl: „Anderes Thema: War Mundlos mal in der Schweiz?“
Gerlach: „Diese Person war mir damals nicht bekannt.“
Götzl: „Man kann auch Informationen haben, ohne dass man jemanden kennt.“
Gerlach: „Nö.“
In diesem Moment klingelt das Handy der Eminger-Verteidigung. Götzl weist Emingers Verteidiger in scharfem Ton zurecht, dieser braucht eine gefühlte Ewigkeit, um sein Handy zum Schweigen zu bringen.
Götzl: „Nochmal: Haben Sie diesbezüglich was von Mundlos mitbekommen?“
Gerlach: „Nein. Hab ich nicht.“
Wieder wechselt Richter Götzl das Thema: „Haben Sie jemals Daten von Mandy Struck (Anm.: Ex-Freundin) weiter gegeben?
Gerlach: „Nein.“
Ein Neonazi kämpft gegen den drohenden Volkstod
Götzl: „Zu Ihrer politischen Einstellung: Stehen Sie dazu, Menschen zu vertreiben? Oder Sie zu vernichten?“
Gerlach: „Nein.“
Götzl: „Zu keinem Zeitpunkt?“
Gerlach: „Zu keinem Zeitpunkt.“
Götzl: „Sagt Ihnen der Begriff ‚Volkstod‘ etwas?“
Gerlach: „Ja. Das hat die nationalen Kreise verbunden. Hat damit zu tun, dass das deutsche Volk durch eine zu niedrige Geburtenrate ausstirbt. Die Einwanderer haben ein hohe Geburtenrate.
Götzl: „Und wie stehen Sie dazu?“
Gerlach: „Unser Ziel war es, den Volkstod aufzuhalten. Durch Begrenzung von Zuwanderung, gezielte Rückführung von Ausländern und die Geburtenrate von Deutschen zu erhöhen. Durch Unterstützung von deutschen Firmen, dass mehr Kinder wieder machbar sind. Und durch finanzielle Unterstützung.“
Götzl: „Was haben Sie da persönlich unternommen?“
Gerlach: „Die ‚Nationale Bewegung‘ ist nicht in der Lage Gesetze zu geben. Es blieb nur Propaganda, um den Volkstod aufzuhalten.“
Götzl: „Wie haben Sie da mitgewirkt?“
Gerlach: „Durch viele Gruppierungen. Eben durch regionale und ‚Freie Netze‘. In einer Region auch durch den KDS (Kampfbund Deutscher Sozialisten) oder durch die NPD.“
Götzl: „Sind Sie Mitglied der NPD?“
Gerlach: „Nein.“
Götzl: „Und sonstige Gruppen?“
Gerlach: „Jede Kameradschaft arbeitet daran, um dies zu erreichen. Das ist das Hauptziel.“
Götzl: „Und Sie? Kameradschaft?“
Gerlach: „Nationale Sozialisten Altenburger Land“
André Eminger – Foto: J.Pohl
Götzl: „Kennen Sie André Eminger?“
Gerlach: „Kenn ich nicht.“
Götzl: „Und Maik Eminger?“
Gerlach: „Auch nicht. Nur aus der Presse.“
Götzl: „Ja, gab es denn vielleicht mal Gespräche ..?“
Gerlach: „Nicht bewusst.“
Götzl: (zeigt auf André Eminger) „Er sitzt da. Schauen Sie ihn halt an.“
Gerlach blickt kurz zu Eminger und schüttelt den Kopf.
Götzl: „War André Eminger mal Gesprächsthema?“
Gerlach: „Nach 2011. Nur von Presse. Hab mich nicht bewusst über ihn mit irgendjemand unterhalten.“
Die Hammerskins gingen ihm über alles!
Richter Götzl konfrontiert Gerlach mit einer Aussage von Mandy Struck aus einer Vernehmung durch das BKA vom 30.12.2011:
„[Die] Kameradschaft Nationale Sozialisten Altenburger Land im Jahr 2004 gegründet. Da war er dabei und das habe ich noch mitbekommen.“
„Ich habe gewusst, dass er als Redner und Ordner bei den Montagsdemos [in Altenburg] fungierte.“
„Fest der Völker hat er organisiert und seine Hammerskins. Die gingen ihm über alles. Es ging darum Zellen zu bilden in ganz Mitteldeutschland. Das man überall jemanden sitzen hat, der gut reden kann um halt wieder Leute auszubilden, die eigenständig arbeiten können. So dass man überall Leute hat, wenn eine Aktion startet […].“
Götzl: „Was sagen Sie zu Zellen?“
Gerlach: „Das ist ihre (Anm.: Mandy Strucks) Wortwahl. Wir haben das schon angestrebt. Aber nicht als Zellen. Jeder sollte seine eigenen Redner haben, eigene Infrastruktur. Wenn welche Verluste haben, dass man weiterarbeiten kann. Ich nenne das nicht ‚Zelle‘, sondern ‚Aktionsgruppen‘.
Götzl: „Haben Sie eine Zelle mit Struck betrieben?“
Gerlach: „Glaub ich nicht. Zelle war eher eine kleine Gruppe.“
Götzl: „Wie weit haben Sie ihr Konzept verwirklicht?“
Gerlach: „Bis etwa 2009/2010 erfolgreich. Dann ist es im Sande stecken geblieben.
Götzl: „Wie hat man sich genannt?“
Gerlach: „Freies Netz.“
Götzl: „Welche Rolle hat da Gewalt gespielt?“
Gerlach: „Gewalt hat da keine Rolle gespielt, ist nicht zielführend. Auch Gewalt gegen Ausländer ist nicht zielführend.
Götzl: „Und bei den anderen?“
Gerlach: „Ich kann nicht in die Köpfe anderer gucken. Wir haben Gewalt immer abgelehnt.“
Götzl: „Wir ..?“
Gerlach: „Die, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Der Wohlleben und der Kapke.“
Götzl: „Und? Weitere ..?“
Gerlach: „Fallen mir spontan keine weiteren ein.“
Götzl: „Ja, jetzt überlegen Sie mal, Sie haben …“
Gerlach: (unterbricht Götzl) „Keine.“
Götzl: „Sie haben ja schon mit Schwung angesetzt.“
Gerlach: „…“
Götzl: „Und Altenburg?“
Gerlach: „Ich.“
Götzl: „Alleine?“
Gerlach: „Andere kenne ich nicht.“
Götzl: (spürbar verärgert) „…“
Bedrohliche Stille im Gerichtssaal –
Gerlach: Der letzte aufrechte Ritter der Tafelrunde?
Gerlach: „Sie wollen von mir Namen wissen, die mit mir aktiv waren?
Götzl: (in deutlich lauterem Tonfall): „Ja!“
Gerlach: „Sag ich nicht.“
– Stille –
Götzl: „Warum?“
Gerlach: „Ich hab den Prozess hier verfolgt. Die so genannte Nebenklage quatscht Informationen an die Antifa weiter. Wenn ich die nennen würde, dann sind die Repressalien ausgesetzt. Auch die Bundesanwaltschaft hat Informationen an die Presse verteilt.“
Götzl: „…“
Gerlach: „Es sagen mir Leute, sie laufen Gefahr wegen Antifa-Gruppen ihre Arbeit zu verlieren.“
Götzl: „Da wollen Sie auch nichts sagen? Der § 55 StPO gibt Ihnen hier kein Auskunftsverweigerungsrecht“
Gerlach: „Das ist mir bewusst. Ich sehe auch den Konflikt zwischen dem Gericht und mir. Das kann ich nicht mit meiner Moral und meinem Wertegefühl vereinbaren, dass Leute Arbeit verlieren weil das dem Fernsehen und der Presse gesagt wird. Auch wenn ich dafür eine Strafe bekomme.“
Götzl: „Ordnungsmittel! Wir stellen das erst einmal zurück. Ihnen ist das ja bewusst.“
Gerlach: „Ja.“
Götzl: „Hammerskins?“
Gerlach: „Werde ich nichts dazu sagen. Ich weiß, wie die Antifa funktioniert. Ich weiß, wie die Nebenklage Infos verbreitet. Wenn ich Namen aus Altenburg nenne, dann gibt es Schlägereien usw.. Ist mir bewusst, dass ich Strafe kriegen kann.
Götzl: „Was wissen Sie über den ‚Führerlosen Widerstand‘?“
Gerlach: „Da gibt es ein Schreiben aus den 90gern. Für mich bedeutet das die losen Gruppen, die zusammenarbeiten.“
Götzl: „Und deren Einfluss auf ihre politische Arbeit?“
Gerlach: „Gruppen waren schon irgendwie organisiert. Haben uns abgewechselt. Zum Beispiel Jena mit Altenburg und so.“
Götzl: „Wann haben Sie erstmals den Begriff ‚NSU‘ gehört?“
Gerlach: „2011. Durch die Presse.“
Götzl: „Und zuvor?“
Gerlach: „Nein.“
Götzl: „Der Begriff ‚Braunes Haus’“?
Gerlach: „Ja. Wurde intern verwendet.“
Götzl: „Und Ihr Spitzname? Woher ..?“
Gerlach: „Überall verwendet.“
Götzl: „Wie oft hatten Sie Kontakte zu Struck?“
Gerlach: „Als Beziehung zu Ende war, nur einmal in Halbe.“
Das falsche Spiel von Klemke
Götzl: (An RA Klemke gerichtet) „Haben Sie zufällig das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahren:“
RA Klemke: „Nein.“
RA Narin – Foto: J. Pohl
RA Narin: „Herr Vorsitzender, ich hab es möglicherweise.“ (Nennt Aktenzeichen) „Das war ein 129er Verfahren, wurde 2005 eingestellt. (Anm.: § 129 StGB – Bildung krimineller Vereinigungen)
Richter Götzl bittet Gerlach nach vorne zum Richtertisch, es werden Fotos in Augenschein genommen und für alle sichtbar auf die Leinwände projiziert. Es handelt sich um Gruppenaufnahmen mit Hammerskins.
Götzl: „Wo sind diese Fotos entstanden?“
Gerlach: Wo die entstanden sind, will ich nicht sagen. Zu den Personen sag ich auch nichts.“
Götzl: „Warum?“
Gerlach wiederholt beinahe wortwörtlich seine Aussage zu dieser von Richter Götzl schon mehrfach gestellten Frage. Götzl wendet sich merklich genervt von Gerlach ab und versucht, nähere Informationen zum Gerücht, dass ein Ermittlungsverfahren gegen Gerlach mit vermutetem Bezug zur Thematik Hammerskins im Gange ist, zu erhalten. RA Klemke hatte dieses Gerücht gleich zu Beginn der Vernehmung geschickt platziert. Im Laufe dieser kurzen, aber heftigen Diskussion erklärt sich GBA Diemer bereit zu versuchen, Fakten dazu von der Staatsanwaltschaft Dresden zu erhalten. OStA Weingarten verlässt den Saal, vermutlich um den Auftrag von Diemer umzusetzen.
RAin Lunnebach von der Nebenklage versucht eine Frage, die genau zur richtigen Zeit käme, zu stellen: „Hatte der Zeuge Gerlach vor kurzem Kontakt zu RA Klemke?“ Götzl wiegelt die Frage per Handstreich ab: „Wenn Sie dran sind, Frau Rechtsanwältin!“
Richter Götzl befragt Gerlach zu seinen privaten, beruflichen und finanziellen Verhältnissen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Verhängung eines Ordnungsgeldes droht. Gerlach gibt bereitwillig Auskunft.
Götzl: (An GBA Diemer gerichtet) „Der Herr Weingarten ..?“
GBA Diemer Foto: J.Pohl
Diemer: „Versucht in Sachen Ermittlungsverfahren zu klären. Weiß nicht wie lange das dauert.“
Ein wahres Fragenfeuerwerk von RA Scharmer beginnt
Das Fragerecht geht an die Nebenklage. RA Scharmer beginnt mit der Befragung: „Haben Sie den Prozess-Auftakt hier als Tag der Schande bezeichnet?“
Gerlach: „Ja. So wie der Prozess hier läuft, ist das eine Schande.“
RA Scharmer: „Haben Sie einen Twitter-Account unter dem Namen ‚Ace_79‘?“
RA Scharmer lässt einen per Screenshot gesicherten Tweet vom 06.05.2013 von Gerlachs Twitter-Account zeigen. Neben „Tag der Schande“ findet sich hier auch der Begriff „Affentheater“.
Screenshot: Tweet vom 06.05.2013
Gerlach: „Prozesse wie diese bringen ein ’seltsames Rechtssystem‘ zutage.“
RA Scharmer: „Mit ‚Affentheater‘ meinen Sie wen ..?“
Gerlach: „Na so halt …“
Screenshot: Tweet vom 03.05.2013
RA Scharmer: „Meinen Sie auch das Gericht?“
Gerlach: „Keine Personen. Auch keinen Richter.“
Ein weiterer Screenshot von einem Tweet, den Gerlach kurz nach seiner Einvernahme am 01.07.2014 geschrieben hatte: „[…] Die Tafelrunde ist entehrt, wenn ein falscher ihr angehört. […]“
Screenshot: Tweet vom 01.07.2014
Gerlach: „Ich wusste ja, dass Sie das beobachten und dass das Thema wird. Ist eben mein Fazit des Tages.“
RA Scharmer: „Was meinen Sie damit?“
Gerlach: „So, wie es da steht. Fand das Zitat schön und passend. Will nicht verantwortlich sein, dass Leuten Nachteile entstehen.“
RA Scharmer: „Tafelrunde? Wer ist da gemeint?“
Gerlach: „Niemand. Mein Verhalten.“
RA Scharmer: „Wertegefühl?“
Gerlach: „Ja. Ich werde es nochmal erläutern.“ Im Folgenden schwurbelt er beinahe Wortgetreu nun zum 3. Mal über seine Moralvorstellung, durch seine Aussage unschuldige Kameraden durch Antifa und Presse in Gefahr zu bringen.
RA Scharmer: „Sie sind Teil der Tafelrunde?“
Gerlach: „Nein. Mein Verhalten ist ritterlich.“
RA Sebastian Scharmer – Foto: J. Pohl
RA Scharmer: „Ich hätte noch Fragen zum Thema Hammerskins. Und zwar liegen uns Fotos von der sichergestellten Festplatte aus dem PC des Herrn Wohlleben vor.“
Es werden Fotos von einem „Ritteressen“ mit mehreren Teils in Rittergewändern gekleideten Personen gezeigt. Ralf Wohlleben ist dabei auf den ersten Blick erkennbar.
RA Scharmer: „Erkennen Sie jemanden?“
Gerlach: „Ja. Wohlleben.“
Das nächste Foto: Ein Gruppenbild. Alle Personen posieren mit vor dem Oberkörper gekreuzten Armen.
RA Scharmer: „Und ..?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Wer darf dieses Symbol machen?“
Gerlach: „Möchte ich nichts dazu sagen.“
RA Scharmer: „Ist Wohlleben dabei?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Eminger?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Was ist ‚NOM‘? ‚National Officers Meeting‘?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „2011?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Wer darf da hin?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Welche Hammerskin-Gruppen gibt es?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Wer ist verantwortlich?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: (An Richter Götzl gerichtet) „Herr Vorsitzender! Ich stelle die Fragen deshalb, um dem Zeugen eine Aussageverweigerung nachweisen zu können.“
RA Scharmer: „Chapter West-Sachsen?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer lässt sich durch die Arroganz von Thomas Gerlach nicht aus dem Konzept bringen und stellt im atemberaubendem Tempo Frage um Frage: „Jörg W.?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „…“ (Wird von Gerlach unterbrochen.)
Gerlach: „Können Sie die Fragen nicht hintereinanderstellen? Dann brauch ich nur einmal zu antworten.“
Die Gesichtsfarbe von Richter Götzl wechselt nach dieser Frechheit in ein bedrohlich wirkendes dunkelrot: „Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt!“ Die Wände des Gerichtssaals scheinen zu beben.
RA Scharmer bleibt unbeeindruckt und macht weiter: „Sagt Ihnen der Begriff ‚Fourteen Words‘ etwas?“
Gerlach gibt zumindest kurzfristig seine fragwürdige Taktik auf und antwortet ausnahmsweise. Er schwurbelt und stammelt, gibt so ein jämmerliches Halbwissen zu Fakten, die ein Hammerskin eigentlich aus dem Effeff wissen müsste, preis: „Ja, das kommt aus dem amerikanischen, so genau bekomme ich das auf Englisch nicht hin, irgendwie so: We must the existence unseres Volkes sichern oder so irgendwie. Jedenfalls geht es darum, die Existenz unserer Rasse zu sichern.“
(Anm.: Die erstmals in Kreisen weißer Neonazis aus den USA aufgetauchte Floskel „Fourteen Words“ ist ein extrem rassistisches und menschenverachtendes Glaubensbekenntnis. Mit den „Fourteen Words“ beschwören extrem rechts gesinnte und meist auch gewaltbereite Neonazis die – deren Überzeugung nach – Überlegenheit der „weißen oder arischen Rasse“. )
Fourteen Words: „We must secure the existence of our people and a future for White children.“ („Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern“)
RA Scharmer: „Wie stehen die Hammerskins zu den ‚Fourteen Words‘?“
Kaum fällt der Begriff „Hammerskin“ ist Gerlach keine vernünftige Antwort mehr zu entlocken: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: Herr Vorsitzender! Sie sehen, es macht keinen Sinn, weitere Fragen zu stellen. Ich beantrage Ordnungsmittel.“
Götzl: „Wir müssen erst die näheren Umstände zum Ermittlungsverfahren erfahren.“
RA Scharmer: „Ich sehe das anders. Der Zeuge beruft sich ausdrücklich nicht auf den § 55 StPO.“
Das Fragerecht wechselt zu RAin Lunnebach: „Zuerst möchte ich hier festhalten: Der Zeuge ist respektlos. Ich hätte einige Fragen, aber unter diesen Umständen werde ich jetzt keine stellen.“
Der wandlungsfähige Herr Gerlach.
Wohlleben-Verteidigerin RAin Schneiders ist an der Reihe: „Herr Gerlach, wissen Sie von Ermittlungen gegen das ‚Freie Netz Süd‘?“
Seltsamerweise antwortet Gerlach hier ausführlich und in einem bemerkenswert ruhigen Tonfall. Es drängt sich an dieser Stelle der dringende Verdacht auf, dass er diese Frage erwartet hat. Schlimmer noch: Es riecht hier an dieser Stelle der Einvernahme nach einer Absprache zwischen Gerlach und der Wohlleben-Verteidigung. Beweisbar ist das natürlich ist.
Gerlach: „Ja, ich hab das beiläufig mitgekriegt und etwas davon gelesen. Bin mir aber nicht mehr 100%ig sicher. Es gab da auch Hausdurchsuchungen.“
Wohlleben-Verteidigung RA Nicole Schneiders – Foto: J. Pohl
RAin Schneiders: „Waren Sie auch davon betroffen?“
Gerlach: „Nein.“
Eine seltene Wortmeldung von Nebenklage-Anwalt RA Erdal: „Herr Zeuge! Haben Sie eigentlich einen Schulabschluß?“
Gerlach antwortet pampig und herablassend: „Ja! 10. Klasse. Realschule.“
Götzl: „Herr Gerlach, haben Sie eigentlich die Befürchtung, dass gegen Sie ein Verfahren eingeleitet wird, wenn Sie hier auf Fragen antworten?“
Gerlach schwurbelt sich um eine Antwort herum: „Weiß nicht.“
Götzl: „Jetzt mal konkret! Warum die Durchsuchung? Welche Vorwürfe gab es gegen Sie? Ich meine jetzt 2003.“
Gerlach: „Bildung einer kriminellen Vereinigung. So wie Klemke schon sagte. Ich hatte sehr viele Durchsuchungen und Schriftwechsel mit der Staatsanwaltschaft. Und ich war bis 2004 in Haft. Ich bin zu dieser Thematik nie vernommen worden.“
Ermittlungsverfahren verzweifelt gesucht.
OStA Weingarten ist inzwischen wieder im Saal anwesend.
Götzl: „Herr Weingarten, gibt es Informationen?“
OStA Weingarten Foto: J. Pohl
OStA Weingarten: „Wir haben eine Verfahrensabfrage bei der Staatsanwaltschaft Dresden gemacht. Und zwar ‚prompt‘. Bis jetzt haben wir noch kein Ergebnis.“
Richter Götzl ordnet deswegen um 14:00 Uhr eine Verhandlungspause von 20 Minuten an.
Um 14:35 wird weiter verhandelt.
Götzl: „Und? Generalbundesanwaltschaft? Gibt es Informationen?“
Gerlach: „Weiß ich nicht. Ich hab eine Vorladung bekommen, bin aber nicht hingegangen.“
Götzl: (genervt) „Was war der Vorwurf?“
Gerlach: „Die haben irgendwie eine Waffe gesucht. Ich kenne mich mit Waffen aber nicht so aus.“
– Gelächter im Saal –
Götzl: „Dann werden wir jetzt Ihre Einvernahme für heute beenden. Die Akten der Staatsanwaltschaft Dresden werden beigezogen. Und Sie Herr Gerlach …“
Gerlach: „Ja ..?“
Götzl: „Sie sind für den 24.07.2014, das ist ein Donnerstag, nochmals vorgeladen. Haben Sie das verstanden?“
Gerlach: „Ja.“
Damit ist für heute die 2. Vernehmung von Thomas Gerlach um 14:40 beendet.
RAin Lunnebach: „Ich würde gerne eine Stellungnahme zur Vernehmung des Zeugen Gerlach abgeben. Ich weiß nicht, ob Sie es genehmigen.“
Götzl: „So etwas ist aber nicht üblich, Frau Rechtsanwältin.“
RAin Lunnebach: „Das ist mir bewusst. Deswegen frage ich ja, ob Sie es genehmigen.“
Götzl: „Wir stellen das zurück.“
Damit ist der Prozesstag beendet. Richter Götzl hat mit seiner Weigerung zur Abgabe eines Statements durch RAin Lunnebach zum Verhalten des Thomas Gerlach eine große Chance vertan. Gerlach ist der erste Zeuge aus der Naziszene, der aus seiner Gesinnung keinen Hehl machte. Er hat es geschafft, minutenlang über den drohenden Volkstod zu schwadronieren. Er konnte sogar ausführlichst seine extrem rassistischen „Lösungsansätze“ zur Verhinderung des Volkstodes darlegen. Niemand hat ihn dabei unterbrochen. Gerlach verhielt sich den Verfahrensbeteiligten und sogar dem Gericht gegenüber extrem respektlos. Eingegriffen hat niemand. Anwälte der Nebenklage werden vom Vorsitzenden Richter Götzl regelmäßig bloßgestellt, gemaßregelt und „zusammengefaltet“, wenn Sie beispielsweise nicht sofort die korrekte Fundstelle einer Akte benennen können.
Gerlach dagegen wurde mit Milde behandelt, er wurde geradezu verhätschelt. Nur einige Minuten nach dem Ende seiner Einvernahme veröffentlichte Thomas Gerlach folgenden Tweet:
Für einen Fortschritt in Sachen Wahrheitsfindung im NSU-Prozess entwickeln sich lügende Zeugen seit Beginn der Verhandlungen zu einem immer größer werdenden Problem. Es ist mehr als offensichtlich, dass Handlungsbedarf besteht, jedoch scheint von keiner Seite der Prozessbeteiligten ein gesteigertes Interesse zu bestehen, diesem Problem Herr zu werden.
Hier zum 1. Teil dieser Mini-Serie mit einem aktuellen Wortprotokoll aus der Vernehmung von Markus F. vom 198. Verhandlungstag. >>
Das Ausmaß der Lügen ist der Öffentlichkeit nicht mehr vermittelbar.
Nach jedem lügenden Zeugen, der ohne Konsequenzen zu spüren davon kommt, wird die Berichterstattung schwieriger. Ganz egal welche Zeugen, ob aus der Nazi-Szene, aus dem Dunstkreis des Verfassungsschutzes oder aus sonst irgendeiner Gruppe. Der Öffentlichkeit sind diese Vorkommnisse nicht mehr zu vermitteln.
Wir müssen handeln! Jetzt!
Das Resultat: Das Interesse der Öffentlichkeit am NSU-Prozess nimmt mehr und mehr ab und dürfte sich derzeit auf einem negativen Rekordniveau befinden. Das ist eine Katastrophe, die wir bewältigen müssen, ja vielleicht sogar noch abwenden können. Lasst uns zusammen daran arbeiten. Presse, Blogger, Prozessbeobachter und Prozessbeteiligte müssen jetzt an einem Strang ziehen, um die Glaubwürdigkeit im NSU-Prozess wieder herzustellen.
Und so wird im NSU-Prozess gelogen: Subtil, dreist, hemmungslos, schamlos und immer mit dem Hintergrund Rassismus.
Hier eine sehr kleine – ungeordnete – Zusammenstellung (6 von knapp 200 Verhandlungstagen) mit Beispielen von lügenden Zeugen im NSU-Prozess:
Gleich zu Beginn ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was passieren kann, wenn die Nebenklage die Lügen der Nazi-Zeugen nicht einfach hinnehmen will.
Carsten R. (36) ist wieder einer dieser unerträglichen Zeugen. Man könnte meinen, er wäre ein kleiner Fisch im undurchdringlichen NSU-Sumpf. Carsten R. hat 1998 unter seinem Namen eine Wohnung in Chemnitz für die untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe angemietet. Deswegen wird er am 19. März 2014 vor dem OLG-München im NSU-Prozess als Zeuge vernommen. […]
Gefühlte 99 % seiner Antworten bestehen aus diesen Floskeln:
“Weiß ich nicht mehr.”
“Ist schon zu lange her.”
“Kann mich nicht mehr erinnern.”
Seine seltenen Antworten, die inhaltlich auf die Frage eingehen, beendet Carsten R. meistens mit einem Nachsatz wie diesem hier: “… kann ich aber nicht genau sagen.”
So läuft die Befragung Stunde um Stunde. Trotzdem ging der Plan von Carsten R. durch geballtes Unwissen, nichtssagenden Antworten und beinharten Lügen möglichst wenig zu einem Erkenntnisgewinn beizutragen nicht ganz auf.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richter Götzl warum ausgerechnet er als Wohnungsmieter für die bereits untergetauchten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe auftreten sollte antwortete Carsten R. in typischer Art und Weise.
Götzl: “Jetzt erzählen Sie doch mal von vorne und der Reihe nach.”
Carsten R.: “Hab ich ja. Die Wohnung wurde eben angemietet.”
Ein Kommentar zur psychischen Verfassung von Götzl erübrigt sich an dieser Stelle.
Götzl: “Mit Personen! Bitte!”
Carsten R.: “Kann mich nicht erinnern. Das habe ich auch bei der Polizei schon gesagt.”
RA Hoffmann: “Haben Sie sich 2011 (Anm.: Am 04.11.2011 wurden Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe enttarnt.) bei der Polizei gemeldet?”
Carsten R.: “Nein.”
RA Hoffmann: “Warum nicht?”
Carsten R.: “Bei mir ging es ja um die Wohnung. Und bei denen um Tötung.”
Das Fragerecht hat nun RAin Pinar: “Ist Ihr ‘Egal sein’ eigentlich grenzenlos?”
Carsten R.: “Ja. Ich hab nicht differenziert, ob die Schokoriegel klauen, oder gerade jemanden umgebracht haben.”
RAin Pinar: “Wie waren Ihre Gedanken, als Sie erfuhren, dass “die 3″ Menschen umgebracht haben?”
Genau an dieser, dieser entscheidenden Stelle, an der die wirkliche Gesinnung des Zeugen ans Licht kommt, grätscht GBA Diemer mitten in die Befragung hinein. Wie immer in solchen Fällen ohne Worterteilung.
Diemer: “Ich beanstande die Frage …”
Diemer wird durch RAin Pinar unterbrochen, schließlich hat sie immer noch das Fragerecht. Sie hat weder erklärt, dass sie keine weiteren Fragen mehr hätte, noch hat irgendjemand GBA Diemer das Wort erteilt.
RAin Pinar: “Ich möchte hier nur auf eine Grundsatzentscheidung zur Beugehaft …”
Bei dem Wort “Beugehaft” wird RAin Pinar das Mikrofon abgedreht. Jedoch ist sie auch ohne Mikrofon zumindest auf der Besuchertribüne noch einigermaßen gut zu verstehen. “Ich lasse mir hier nicht von Ihnen den Mund verbieten.”
Götzl mischt sich nun auch ein: “Frau Anwältin! Bitte mäßigen Sie sich. Das Wort hat jetzt Dr. Diemer. Bitteschön, Herr Diemer! Sie sind dran.”
Aus den Reihen der Nebenklage sind überdeutlich Unmutsbekundungen ob der Entscheidung Götzls vernehmbar.
Götzl versucht den Tumult im Gerichtssaal, der sich auch auf die Tribüne ausgebreitet hat zu ignorieren: “Also bitte Herr Diemer …”
Diemer: “Ich beanstande die Frage. Die Frage hat nichts mit der Sache zu tun. Wir sind hier nicht das Jüngste Gericht, es ist nicht Aufgabe des Zeugen, sich für Einstellungen zu rechtfertigen, sondern Wahrnehmungen zu bekunden.”
Götzl: “Wenn Sie hier so weiter fragen, dann …”
RAin Pinar unterbricht Götzl: “Die Gesinnung dieses Zeugen ist mir wurscht.” (sic!)
Jetzt mischt sich RA Hoffmann in die inzwischen völlig außer Kontrolle geratene Diskussion ein: “Dieser Zeuge hier lügt den ganzen Nachmittag und die Bundesanwaltschaft unterstützt das auch noch.”
Götzl: “Ich lasse mich nicht unterbrechen …”
RAin Pinar: (An Götzl gerichtet.) “Dann sagen Sie doch endlich, was Sie sagen wollen.”
Götzl: “Ich habe Ihnen nicht das Wort erteilt. So! Und damit sich die Prozessbeteiligten wieder sortieren können und zur Besinnung kommen, unterbreche ich jetzt die Verhandlung für 10 Minuten.”
Er knallt einen Aktenordner auf das Pult, und verlässt um 17:20 Uhr ohne ein weiteres Wort zu verlieren den Gerichtssaal.
Eine angeordnete Verhandlungspause von 10 Minuten dauert im OLG-München 20 Minuten. Das war schon immer so, das wird immer so bleiben. In Bayern gehen die Uhren eben anders.
Um 17:40 Uhr erteilt Richter Götzl RAin Pinar das Wort.
RAin Pinar: “Bevor ich unterbrochen werde, stelle ich fest, dass eine Befragung des Zeugen nicht mehr sinnvoll ist. Ich stelle hiermit alle Fragen zurück.”
Die nächste Wortmeldung kommt von RA Kienzle: “Wir möchten uns zur Bemerkung von GBA Diemer zum “Jüngsten Gericht” äußern. Deswegen werden wir alle auf unser Fragerecht verzichten. Dem Zeugen ist überdeutlich klar geworden, dass sein Verhalten von der Bundesanwaltschaft hingenommen wird.”
Richter Götzl versucht noch zu retten, was zu retten ist: “Wir müssen jetzt mit der Befragung des Zeugen fortfahren.”
RA Kienzle: “Wir haben jetzt die Situation, dass die Beanstandung Diemers weiter im Raum steht. Stichwort: ‘Jüngstes Gericht’.”
Götzl: “Die Befragung des Zeugen steht im Vordergrund.”
RA Kienzle: “Das sehe ich anders. Hier steht ausgesprochen im Raum, dass Nebenkläger Fragen im Stil des “Jüngsten Gerichts” stellen.
[…]
RA Stahl: “Also mit wem haben Sie sich als Pärchen ausgegeben? Mit Frau Zschäpe?”
Carsten R.: “Das ist eine reine Vermutung von mir. Bei der Wohnungsübergabe eben. Wissen tu ich es nicht.”
RA Stahl: “Können Sie Böhnhardt und Mundlos unterscheiden?”
Carsten R.: “Nein.”
RA Stahl: “Und jetzt sag ich Ihnen noch was: Vermutlich hat Böhnhardt als Bürge auf dem Mietvertrag unterzeichnet.”
(Absolute Stille im Saal!)
Carsten R. antwortet unbeeindruckt. Dass er gerade überführt wurde, seit Stunden gelogen zu haben, lässt in anscheinend völlig kalt.
Carsten R.: “Kann sein …”
RA Stahl: “Keine weiteren Fragen mehr.”
Auf die Wiedergabe der weiteren Befragung kann getrost verzichtet werden. Carsten R. bleibt hartnäckig bei seinem Antwortverhalten.
Nach fast 5 Stunden grotesker Befragung nimmt um 18:15 das Trauerspiel mit der Entlassung des Zeugen sein Ende.
Fazit der Vernehmung: Es sind immens viele Fragen offengeblieben. Carsten R. weiß definitiv mehr, als er vorgibt zu wissen. Er hat Stunde um Stunde beinhart gelogen. Dies wurde ihm beispielsweise beim Themenkomplex Wohnungsbesichtigung und Mietvertrag eindrucksvoll nachgewiesen. Seine Aussagen, dass er mit Beate Zschäpe als Pärchen auftrat und das Zschäpe die Mitunterzeichnerin des Mietvertrages war, wiederholte er mehrmals. Beide Aussagen waren glatte Lügen, die völlig ohne Konsequenzen blieben.
Eine weitere Einvernahme des Zeugen wäre dringend geboten gewesen. Aber nur unter anderen Voraussetzungen wäre sie auch sinnvoll gewesen. Das Problem ist wieder einmal die Bundesanwaltschaft. Eine Bundesanwaltschaft, die wenig Interesse an einem zusätzlichen Erkenntnisgewinn hat, ist zu kritisieren. Eine Bundesanwaltschaft, die aktiv die Bemühungen zur Aufklärung verhindert, ist inakzeptabel, unzumutbar, eine Verhöhnung aller Opfer, ein Schlag ins Gesicht der Hinterbliebenen und unterstützt direkt den Rechtsextremismus. Zum kompletten Artikel >>
Lügen und Verharmlosen, Teil XII – weitere Vernehmung von Michael Probst
So leugnete er sogar, den Angeklagten André Eminger gekannt zu haben – und das, obwohl seine Ex-Frau bei der Polizei noch von konkreten Geschäftsbeziehungen Emingers zu Probst berichtet hatte und obwohl seine Telefonnummer im Handy-Speicher von Eminger gefunden wurde. Jedenfalls ist die Aussage des Zeugen nicht geeignet, die Angaben des V-Mannes Carsten Szczepanski zu den Unterstützungshandlungen von „B&H“ Sachsen und seiner Exfrau in Frage zu stellen. Nach seiner Zeugenaussage hätte er jedenfalls keine Kenntnis von solchen Unterstützungshandlungen haben können. Dass Szczepanski ihn als „B&H“-Mitglied bezeichnet, kann auch an seiner hervorgehobenen Position als Musikproduzent, Ladenbetreiber, Bandmitglied, Ehemann von Antje Probst und engem Freund von Jan Werner gelegen haben.
Thomas Gerlach ist einer der aktivsten Neonazis aus Thüringen. Er leugnet seine ultrarechte Einstellung nicht, sondern er schildert sein krudes Weltbild in geradezu unerträglicher Art und Weise. Gerlach war unter anderem Mitglied beim Thüringer Heimatschutz (THS), also der Organisation aus der vermutlich der NSU hervorgegangen ist. Zudem werden Gerlach engste Verbindungen zu den rechtsextremen und gewaltbereiten Hammerskins nachgesagt. Er sagt am 10.07.2014 bereits zum 2. Mal aus. Seine 1. Vernehmung am 01.07.2014 wurde vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl abrupt unterbrochen.
Hier ein Auszug aus der Befragung vom 10. Juli 2014 vor dem OLG München:
RA Scharmer: „Erkennen Sie jemanden?“
Gerlach: „Ja. Wohlleben.“
Das nächste Foto: Ein Gruppenbild. Alle Personen posieren mit vor dem Oberkörper gekreuzten Armen.
RA Scharmer: „Und ..?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Wer darf dieses Symbol machen?“
Gerlach: „Möchte ich nichts dazu sagen.“
RA Scharmer: „Ist Wohlleben dabei?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Eminger?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Was ist ‘NOM’? ‘National Officers Meeting’?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „2011?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Wer darf da hin?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Welche Hammerskin-Gruppen gibt es?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
RA Scharmer: „Wer ist verantwortlich?“
Gerlach: „Sag ich nichts.“
[…]
RA Scharmer: „…“ (Wird von Gerlach unterbrochen.)
Gerlach: „Können Sie die Fragen nicht hintereinanderstellen? Dann brauch ich nur einmal zu antworten.“
Die Gesichtsfarbe von Richter Götzl wechselt nach dieser Frechheit in ein bedrohlich wirkendes dunkelrot: „Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt!“ Die Wände des Gerichtssaals scheinen zu beben.
RA Scharmer bleibt unbeeindruckt und macht weiter: „Sagt Ihnen der Begriff ‘Fourteen Words’ etwas?“
[…]
Gerlach ist der erste Zeuge aus der Naziszene, der aus seiner Gesinnung keinen Hehl machte. Er hat es geschafft, minutenlang über den drohenden Volkstod zu schwadronieren. Er konnte sogar ausführlichst seine extrem rassistischen „Lösungsansätze“ zur Verhinderung des Volkstodes darlegen. Niemand hat ihn dabei unterbrochen. Gerlach verhielt sich den Verfahrensbeteiligten und sogar dem Gericht gegenüber extrem respektlos. Eingegriffen hat niemand. Anwälte der Nebenklage werden vom Vorsitzenden Richter Götzl regelmäßig bloßgestellt, gemaßregelt und „zusammengefaltet“, wenn Sie beispielsweise nicht sofort die korrekte Fundstelle einer Akte benennen können.
Gerlach dagegen wurde mit Milde behandelt, er wurde geradezu verhätschelt. Zum kompletten Artikel >>
Wie Carsten R. ist auch Thomas R. einer dieser extrem unangenehmen Zeugen aus dem unüberschaubaren Unterstützernetzwerk des so genannten NSU.
Thomas R. soll Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach ihrem Untertauchen im Jahr 1998 für ungefähr 14 Tage in seiner Wohnung im sächsischen Chemnitz aufgenommen haben. Auch war Thomas R. in der rechtsextremen Szene zumindest zu Beginn der neunziger Jahre höchst aktiv. Vor allem als Mitveranstalter rechtsradikaler Konzerte fiel Thomas R. auf. Deshalb sollte er im NSU-Prozess vor dem OLG München aussagen.
Viele Zeugen aus dem Umfeld “der Drei” sind in den vergangenen 100 Prozesstagen durch unverhohlen vorgetäuschte Erinnerungslücken, plötzlichem Gedächtnisverlust oder wegen Falschaussagen, vulgo Lügen in denkwürdiger Erinnerung geblieben. Bis zum 100. Prozesstag blieb dieses Verhalten völlig ungeahndet aber nicht unbeachtet.
Am heutigen symbolträchtigen 100. Prozesstag wollte der Vorsitzende Richter Götzl offenbar ein Zeichen setzen. Während der Vernehmung des Thomas R. war im Gerichtssaal plötzlich das Wort “Ordnungsmittel” vernehmbar. Soweit nichts ungewöhnliches. Die Vertreter der Nebenklage führten diesen Begriff schon öfters ins Felde. Ordnungsgeld oder Beugehaft gehören untrennbar zu dieser Vokabel und sind auch schon öfters während der Hauptverhandlung gefallen. Aber eben niemals von Götzl selbst. Ein derartiges Ansinnen der Nebenklage wurde bisher ausnahmslos von der Generalbundesanwaltschaft oder vom Senat rigoros abgeschmettert.
Heute war alles anders: Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl höchstpersönlich sprach das Wort “Ordnungsmittel” aus eigenem Antrieb und ohne dass von irgendeiner Seite ein entsprechender Antrag gestellt wurde, von selbst aus.
Hier ein kurzer Ausschnitt aus der Vernehmung von Thomas R.
Götzl: “Wer gehörte aus Chemnitz dazu?”
Thomas R.: “Bin zu Veranstaltung hin, das war es dann auch schon …”
Götzl: “Ich fragte nach Leuten, mit denen Sie zu tun hatten.”
Thomas R.: “Das will und muss ich hier nicht sagen.”
Und hier ein Beispiel aus dem Bereich Verfassungsschutz:
Der vom Landesamt für Verfassungsschutz bestellte “Zeugenbeistand” für den ehemaligen V-Mann Benjamin G. Rechtsanwalt Volker Hoffmann hat am 64. Prozesstag im NSU-Prozess offenbar unwahr ausgesagt. Diesen Verdacht legt zumindest eine Meldung der Frankfurter Rundschau vom 06.12.13 nahe. Demnach hatte laut Frankfurter Rundschau ein Sprecher des hessischen Verfassungsschutzes bestätigt, dass RA Hoffmann vom hessischen Verfassungsschutz nicht nur für die Vernehmung von Benjamin G. am 04.12.13 vor dem OLG München bestellt und bezahlt wurde, sondern auch für eine Vernehmung von G. durch das BKA im Jahr 2012.
Der hessische Verfassungsschutz hat bestätigt, dass er beim Rechtsterrorismus-Verfahren in München den Anwalt für einen früheren Zuträger aus der rechtsextremen Szene bezahlt hat. Auch bei der Vernehmung durch das Bundeskriminalamt im Jahr 2012 habe die Behörde den Rechtsanwalt Volker Hoffmann für den früheren Rechtsextremisten Benjamin G. entlohnt, sagte ein Sprecher des Verfassungsschutzes der Frankfurter Rundschau am Donnerstag.
Genau diese Vernehmung vom 26.04.12 war unter anderem ein Thema im NSU-Prozess am 04.12.13. Auf die Frage von Nebenklageanwalt Bliwier, ob G. sich an diese Vernehmung erinnere, antwortet dieser nach mehreren Nachfragen mit “nein”. Auch RA Hoffmann hat laut meiner Mitschrift der Vernehmung keine Erinnerung mehr an die Befragung durch das BKA: Schenkt man der Meldung der Frankfurter Rundschau glauben, dann hat RA Hoffmann eindeutig vor dem OLG München gelogen.
Hier die entsprechende Passage der Verhandlung am 04.12.13:
Bliwier macht einen weiteren Vorhalt aus dem Vernehmungsprotokoll des BKA vom 26.04.2012: “Sie hatten damals folgendes ausgesagt: ‘Danach hatte ich bis zum 23.04.2012 mit dem LfV überhaupt keinen Kontakt mehr. An diesem Tag bin ich von zwei Mitarbeitern aufgesucht worden, die mich auf die heute stattfindende Vernehmung ansprachen.’ Haben Sie das verstanden?”
– Stille –
Richter Götzl erklärt in einfachen Worten die Frage nochmals.
– Stille –
Bliwier: “Herr G., hat Ihr Zeugenbeistand die Vernehmung vom 26.04.2012 in seinen Akten?”
– Stille –
Bliwier: “Kennen Sie diese Vernehmung?”
G.: “Ich hab hier keine Zettel.”
Bliwier: “Ob Sie die Vernehmung überhaupt kennen…”
Hoffmann: “Wir haben keinerlei Protokolle bekommen.”
Bliwier: “Nochmal: ‘Danach hatte ich bis zum 23.04.2012 mit dem LfV überhaupt keinen Kontakt mehr. An diesem Tag bin ich von zwei Mitarbeitern aufgesucht worden, die mich auf die heute stattfindende Vernehmung ansprachen.’ Erinnern Sie sich?”
Am 128. Verhandlungstag im NSU-Prozess ließ Beate Zschäpe über einen Mittelsmann dem Strafsenat am OLG München ausrichten, dass sie ihren 3 Pflichtverteidigern nicht mehr vertraut. Diese Entscheidung traf Zschäpe im unmittelbaren Anschluss nach der Befragung des Neonazis Tino Brandt durch ihre Verteidiger. Tino Brandt, Kopf des Thüringer Heimatschutz (THS), stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Thüringen, bis zu seiner Enttarnung hochbezahlter V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz Thüringen und guter Bekannter von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt scheint bei seiner Aussage am 128. Verhandlungstag bei Zschäpe einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Wie mit Mundlos und Böhnhardt auch pflegte Brandt auch regelmäßige Kontakte mit Zschäpe.
Hinweis: Dieses Video ist mein „Erstlingswerk“. Deswegen bitte ich um Nachsicht. Die nächsten werden (vielleicht) besser!
Tino Brandt sitzt wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch derzeit in U-Haft. Zu seiner Einvernahme wurde Brandt mit Handschellen gefesselt vorgeführt.
Hier ein Auszug aus der Vernehmung durch Zschäpe-Verteidiger Rechtsanwalt Wolfgang Stahl:
RA Stahl: „Sie antworteten auf die Frage des Herrn Vorsitzenden auf die Frage zur Vollmacht von Frau Zschäpe an RA Eisenecker: ‚Die wollten nach Hause in sozialverträglicher Art.‘ Woher hatten Sie dies Information?“
Brandt: „War ja in unserem eigenen Interesse. Mit ’sozialverträglich‘ meine ich keine 10 Jahre Haft oder so etwas wegen dem Garagenfund. Sie wollten heim, im Vorfeld sollte durch vernünftigen RA den man kennt, auf den man sich verlassen kann sollte das ausgelotet werden, ob das möglich ist mit einer Strafe von 1 bis 2 Jahren oder ohne Haft.“
RA Stahl: „Nochmal: Diese Informationen? Woher? Wer hat Ihnen das gesagt?“
Brandt: „Ich denke, ich habe ein Gespräch mit Ralf Wohlleben geführt. Er war ja mein Ansprechpartner. Eisenecker hat mich ja selbst in mehreren Fällen vertreten, daher hatte ich Kontakt zu ihm. Bei Sitzungen und Prozessen hab ich ihn meist gesehen, deshalb der Kontakt über mich. Eisenecker war ja in Mecklenburg-Vorpommern.“
RA Stahl: „Wie ist der Kontakt zu Eisenecker genau entstanden?“
Brandt: „Keine Erinnerung.“
RA Stahl: „Wie lange waren Sie im politisch rechten Flügel aktiv? Bis 2001, bis zu Ihrer Enttarnung?“
Brandt: „Ja, bis Mitte 2001.“
RA Stahl: „In der ländlichen Region in der Sie politisch aktiv waren? Ich fang mal anders an. Wen gab es denn dort sonst noch?“
Brandt: „Nordhausen, Mühlhausen, Blood & Honour, den Kreis um Michael See. Aber die meisten Aktionen hat der THS durchgeführt. Die politischen Aktionen, das war vom THS.“
RA Stahl: „Inwieweit waren Sie über Aktionen informiert?“
Brandt: „In Thüringen war ich im großen und ganzen informiert. Was Blood & Honour gemacht hat, nicht unbedingt.“
RA Stahl: „Wussten Sie von terroristischen Aktionen?“
Brandt: „Von terroristischen Aktionen war nie was bekannt. Es gab Blood & Honour, die eigene Konzerte gemacht haben, die wir auch besucht haben. Aber die politische Arbeit, die haben wir vom THS gemacht. Also Zeitung, Flugblätter und Aktionen. Die haben wir gemacht.“
RA Stahl: „Sie waren also informiert über Aktionen, die die Rechte Idee nach vorne bringt?“
Brandt: „In den NPD Landesvorstandssitzungen, auch beim THS gab es Kadersitzungen, wo man sich politisch abgestimmt hat.“
RA Stahl: „Ist dort auch über die Idee zu rechten Terrorzellen oder rechte Terrorakte überlegt worden?“
Brandt: „Nein. Wir haben eigentlich immer den Weg der Politik zu gehen versucht. Auch mit Demos versucht, die sind meist verboten worden durch den Freistaat Thüringen, mit wilden Begründungen. Natürlich gab es auch mal Sachbeschädigungen, etwa durch Aufkleber kleben und so. Aber das war der normale politische Weg, unsere Zielsetzung.“
RA Stahl: „Eigentlich politisch? Und nicht doch auch uneigentlich?“
Brandt: „Natürlich ist es bei den Skins in Sonneberg mal zu Körperverletzungsdelikten gekommen. Discoschlägereien und so was.“
RA Stahl: „Ich meine terroristische Aktivitäten?“
Brandt: „Nein. Gab es nicht.“
RA Stahl: „Gestern sagten Sie: Zschäpe war keine dumme Hausfrau. Hatte Zschäpe eigene Ideen entwickelt in Diskussionen? Was haben Sie da konkret in Erinnerung?
Brandt: „Eigene Ideen politischer Art nicht. Sie war ja nicht bei politischen Grundsatzdiskussionen dabei. Eher Diskussionen über Germanentum oder so. Grundsatzdiskussionen fanden damals als Beate neu war noch nicht statt. Später dann mit Kapke Themen mit sozialrevolutionärer Ausrichtung und nationaler Ausrichtung. Aber mit Beate noch nicht.“
Der Beginn der Verhandlung nach der Mittagspause wurde mehrfach verschoben. Ein Grund dafür wird nicht genannt. Auf der Besuchertribüne schießen derweil die Spekulationen ins Kraut. Zschäpe sei wieder einmal krank, so wird gemunkelt. Was dann aber geschieht, damit hat niemand, aber wirklich niemand gerechnet:
Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl verkündete das „Misstrauensvotum“ nach der Mittagspause. Die Nachricht schlug buchstäblich ein, wie eine Bombe. Der Verhandlungstag wurde abgebrochen, der darauffolgende abgesagt. Auch an diesem Tag war Tino Brandt als Zeuge vorgeladen.
Dem Anschein nach waren sämtliche Prozessbeteiligte, Prozessbeobachter und Pressevertreter von dieser Nachricht völlig überrascht. Auch die Zschäpe-Verteidiger RAin Sturm, RA Stahl und RA Heer schienen von dem entzogenen Vertrauen völlig unvorbereitet getroffen worden zu ein. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft schienen nicht minder überrascht.
Was Zschäpe dazu bewogen hat ist zur Stunde (22.07.2014, 07:00 Uhr) noch völlig unklar.
Auch wenn die Auswirkungen des Nagelbombenanschlags verheerend waren. Es war sicher nicht das gewünschte Ergebnis, dass sich die Attentäter erhofft hatten. Zugegeben: Angesichts der grausamen Opferbilanz mag dieser Satz zynisch anmuten.
Trotzdem muss dieser Umstand geklärt werden, er ist wie viele andere Indizien ein wichtiges Puzzleteil, das vielleicht die Hintergründe des Anschlags vom 9. Juni 2004 aufklären könnte.
Ein weiterer Aspekt:
Der Anschlag hätte ein weit schlimmeres, schier unglaubliches Massaker auslösen können. Indizien dazu gibt es genügend. Nachgeprüft wurden sie bis heute nicht.
Zweck der Bombe: Wahlloses Töten unbeteiligter Menschen.
Die Konstruktion der Sprengvorrichtung konnte nur einem Zweck dienen: Das Töten von Menschen. Dabei war es den Bombenlegern völlig gleichgültig, ob das Leben von Babys, Kindern, Frauen, Männern, Alten, Jungen, Einheimischen oder Migranten, egal welcher Herkunft geopfert wird. Nach dem Platzieren der Bombe hatten die Täter keine Möglichkeit mehr, die Auswirkungen der Explosion entscheidend zu beeinflussen. Nur der Zufall entschied über Leben und Tod.
War die Wirkung der Detonation geringer als geplant?
Die Ermittler fanden Bauteile, Splitter und Nägel des Sprengsatzes in einem Umkreis von bis zu 250 Metern um den Detonationsort herum. Mindestens 22 Menschen, die sich zufällig im Umkreis der Bombe aufhielten, wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Viele leiden noch heute an den Spätfolgen. Dass durch die enorme Sprengwirkung niemand ums Leben kam, ist ein wahres Wunder. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
Die Bombe war für den tatsächlich angerichteten Schaden überdimensioniert.
Trotz der erheblichen Auswirkungen der Explosion musste in den letzten Minuten und Sekunden vor der Zündung der Bombe von irgendjemandem aus dem Kreis der Attentäter ein Fehler gemacht worden sein. Die Auswahl des Detonationsortes scheint einer dieser Fehler zu ein. Eine Erklärung dafür existiert bis heute nicht. Dabei könnten viele Indizien einen oder mehrere Fehler der Attentäter belegen und erklären.
Es erscheint auf den ersten Blick banal: Die Methode der Wahl um der Aufklärung aller dem NSU zugeschriebenen Verbrechen näher zu kommen, ist die Suche nach Fehlern.
Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass bei all den Morden, Raubüberfällen und Bombenanschlägen, die sich über Jahre hinzogen, massenhaft Fehler gemacht wurden. Die gerne erzählte Geschichte, dass die mutmaßlichen Bombenleger Böhnhardt und Mundlos jahrelang ein perfektes Verbrechen nach dem anderen quasi am Fließband produzierten ist falsch. Diese Version ist sogar grundlegend falsch. Sie muss falsch sein, denn das perfekte Verbrechen gibt es nicht. Denkt man – wie hier beim Nagelbombenanschlag – einmal oder zweimal um die Ecke, dann fallen sofort Ungereimtheiten auf. Es muss nicht immer der Verfassungsschutz bei diesen Merkwürdigkeiten seine Finger im Spiel gehabt haben, es kann sich auch um einen banalen Fehler, eine kleine Unaufmerksamkeit bei der Planung oder Durchführung eines Verbrechen handeln. Fehler, die so unbedeutend erscheinen, dass sie nicht mal von den Tätern selbst bemerkt wurden.
Diese Fehler warten nur darauf, endlich gefunden zu werden.
Beim Anschlag in der Keupstraße geschah während der simplen Platzierung der Bombe vermutlich ein kleiner Fehler, der gravierende Auswirkungen hatte. Das frustrierende im konkreten Fall Keupstraße ist jedoch: Den Ermittlungsbehörden ist es offenbar noch nicht einmal aufgefallen, dass die enorme theoretische Sprengkraft der Nagelbombe bei Weitem nicht mit den verursachten Schäden in Einklang zu bringen ist.
Die allgemein bekannten Fakten:
Die Bombenkonstruktion:
Eine handelsübliche 5-Liter-Butangasflasche aus Stahl mit einer Wanddicke von 2 Millimetern, 26 Zentimeter hoch, Durchmesser 20,5 Zentimeter, Leergewicht ca. 1,7 Kilogramm.
Der Transport der Bombe:
In einem Hartschalenkoffer, einem sogenannten TopCase, Modell K 9400 der Firma KAPPA, Gewicht etwa 4 Kilogramm. Alles wurde auf einem Fahrrad aus einem Sonderangebot von Aldi befestigt.
Füllung der Gasflasche:
5,5 Kilogramm Schwarzpulver, eingebettet in etwa 800 Nägel, jeder davon 10 Zentimeter lang, 5 Millimeter dick, und ca. 11 Gramm schwer. Insgesamt 8,8 Kilogramm Nägel vermuten die Ermittler. Diese Nägel werden umgangssprachlich als Zimmermannsnägel bezeichnet. Zusätzlich befanden sich diverse elektronische Bauteile zur Zündung der Sprengvorrichtung und Watte als Sicherung vor einer unabsichtlichen Detonation durch einen Stoß gegen die Bombe.
Gesamtgewicht:
Inklusive der Fahrradhalterung dürfte die Nagelbombe etwa 20 Kilogramm schwer gewesen sein.
Woher hatten die Attentäter die Bauteile?
Abgesehen vom Schwarzpulver sind sämtliche Bauteile der Nagelbombe problemlos in jedem gut sortierten Baumarkt zu beschaffen. Vermutlich wäre an der Kasse niemand misstrauisch geworden. Selbst dann nicht, wenn die Bombenbauer alle Bauteile auf einem einzigen Einkaufswagen transportiert hätten.
Die Platzwahl für die Nagelbombe: Ein Fehler oder wieder ein Zufall?
Die Sprengvorrichtung wurde auf dem schmalen Gehweg vor dem Anwesen Keupstraße 29 – einem Frisörladen – deponiert. Durch die Tatortuntersuchung ließ sich leicht feststellen, dass der Sprengsatz zwischen der Hauswand und einem in direkter Nähe geparkten 3er-BMW explodierte. Dies belegen unter anderem Beschmauchungen, die an der Hauswand bis in eine Höhe von etwa 3 Metern reichen. Das explodierte Schwarzpulver verursachte eine mindestens 2 Meter hohe Stichflamme. Dies konnte auch durch Zeugenaussagen bestätigt werden.
Die Explosion der Bombe:
Vermutlich war eine Glühwendel aus einer Taschen- oder Fahrradlampe das zentrale Element der Zündvorrichtung. Per Funkfernsteuerung setzten die Attentäter die Glühwendel für kurze Zeit unter Strom, was zur Explosion der 5,5 Kilogramm Schwarzpulver führte. In Sekundenbruchteilen entstanden so 1800 Liter Gas, welches mit einer Temperatur von 2000°C den Sprengsatz mit einer Stichflamme und ungeheurer Wucht auseinanderriss. Neben den Splittern schossen die Nägel mit einer Geschwindigkeit von mindestens 770 km/h vom Explosionsort davon. Die Bodenplatte der Gasflasche wurde abgesprengt, schleuderte mit einer immensen Geschwindigkeit durch die Luft und schlug 45 Meter vom Explosionsort entfernt auf dem Asphalt auf.
Die Bombe war für eine maximale Wirkung am falschen Platz deponiert.
Gegenüber der Hauswand befand sich in einem Abstand von etwa 1,5 Metern ein geparkter durch die Detonation zerstörter 3er-BMW. Dadurch wurde ein erheblicher Teil der Druckwelle, der Bombensplitter und der Nägel nach oben und in Längsrichtung in beide Richtungen des Gehweges geschleudert. Der Fehler war hier also eine bedeutende Abschirmung der Druckwelle durch falsches Platzieren der Bombe, was mit Sicherheit Menschenleben gerettet hat. Extrem unwahrscheinlich, dass dies so beabsichtigt war.
Gab es einen unvorstellbar grausamen Plan, der Hunderte Todesopfer gefordert hätte?
Es existieren seit geraumer Zeit Aussagen von Opfern, Augenzeugen und Anwohnern der Keupstraße, dass ein mit Gasflaschen beladener Kleintransporter eine Rolle beim Nagelbombenanschlag gespielt haben soll. Der Plan könnte wie folgt gewesen sein:
Offenbar wurden die vielen Geschäfte und Restaurants der Keupstraße täglich mit Gasflaschen beliefert. Eine Zeugin hat ausgesagt, dass ein Kleintransporter diese Gasflaschen auslieferte. Dies ist absolut glaubwürdig, da in den engen Straßen ein großer LKW, der auch größere Gasflaschen ausliefern könnte, enorme Schwierigkeiten hätte, die Geschäfte zu erreichen.
Der Kleintransporter mit der Gasflaschenlieferung.
Die gleiche Zeugin hat auch berichtet, dass sich der Gasflaschenlieferant mit seinem Transporter normalerweise jeden Nachmittag genau zum Zeitpunkt des Nagelbombenanschlags in unmittelbarer Nähe des Detonationsortes befand. Nur an diesem 9. Juni 2004 hätte der Lieferant ausnahmsweise bereits am Vormittag die Keupstraße beliefert. Diese Aussage konnte oder wollte bis jetzt noch niemand bestätigen oder widerlegen.
Ein weiterer Zeuge berichtete, dass er öfters den Fahrer des Gastransporters „geschimpft“ hätte, nicht zu viele Gasflaschen auf einmal zu laden, da er Angst vor einer Explosion der Gasladung hatte.
Sollte die Nagelbombe die Gaslieferung detonieren lassen?
Vermutlich hätte die explodierte Nagelbombe dazu dienen sollen, eine noch wesentlich größere Detonation auszulösen. Die Explosion eines mit Gasflaschen voll beladenen Transporters hätte unzählige Todesopfer gefordert, die Anzahl der schwerstverletzten Opfer hätte die Kapazität sämtlicher Krankenhäuser im Großraum Köln gesprengt. Die Keupstraße wäre in einem Umkreis von Hunderten Metern in Schutt und Asche gelegt worden.
Der „Sprinter“ auf der anderen Straßenseite.
Ein weiterer Zeuge berichtet von einem schwarzen Mercedes-Kleintransporter („Sprinter“), der auf der anderen Straßenseite exakt gegenüber des Sprengsatzes geparkt war. Die Entfernung zwischen Nagelbombe und Kleintransporter: Etwa 6 Meter. Der Zeuge berichtet weiter, dass die Karosserie auf der Fahrerseite durch unzählige Splitter und Nägel erheblich beschädigt war. Einige Nägel hätten auch das Karosserieblech durchschlagen.
Nagelbombe hatte genug Energie, um eine weitere Katastrophe auszulösen.
Die Aussagen des Sprengstoffspezialisten Dr. Möller vom BKA Wiesbaden beim NSU-Prozess vor dem OLG München am 11. Februar 2015 lassen folgendes Szenario zumindest nicht als unmöglich erscheinen: Hätte der oben bereits erwähnte 3er-BMW nicht die Druckwelle, Splitter und Nägel zur gegenüberliegenden Straßenseite zu einem großen Teil abgeschirmt, dann hätte die Sprengenergie ausreichen können, um Gasflaschen in diesem „Sprinter“ zur Detonation zu bringen.
Existierte der Plan, oder verhinderte ein Fehler die Umsetzung?
Ein perfider Plan, von dem niemand weiß, ob er tatsächlich existierte. Jedoch: Sollte die tägliche Gasflaschenlieferung Bestandteil der Anschlagsplanung gewesen sein, so hat wieder ein Fehler der Attentäter dazu geführt, dass das Ziel so viele Menschen wie möglich zu töten nicht erreicht wurde.
Ein hochbrisantes Interview.
Einige der oben genannten zitierten Aussagen können im Video weiter unten in Auszügen angehört werden.
Zur Ausstellungseröffnung „Die Opfer des NSU“ im Stuttgarter Rathaus am 16. März 2015 hielten der Oberbürgermeister von Stuttgart Fritz Kuhn, Gabriele Metzner von der Initiative “Keupstraße ist überall” und Janka Kluge von der „Initiative NSU-Aufklärung“ jeweils einen Vortrag.
Die AnStifter mit der „Initiative NSU-Aufklärung“.
Ein ungeheurer Verdacht tut sich auf. Von besonderer Relevanz sind hier die Ausführungen von Gabriele Metzner, die aus einem Interview mit einer jungen Frau zitiert. Diese Frau erlebte den Anschlag aus unmittelbarer Nähe, sie befand sich zum Zeitpunkt der Detonation direkt neben dem Frisörladen vor dem das Fahrrad mit der Nagelbombe abgestellt war. Sekunden nach der Explosion sah die Frau wie direkt vor ihr etwas auf den Boden fiel. Es war das Fahrrad auf dem die Bombe montiert war. Sie überlebte den Anschlag schwer verletzt und muss seitdem immer noch mit gravierenden Einschränkungen ihrer Lebensqualität umgehen.
Hier das Video mit dem kompletten Vortrag von Frau Gabriele Metzner. Die Ausführungen zum Interview mit der jungen Frau beginnen ab Timecode 12:45.
Die brisanten Passagen finden sich als Transkript hier:
„Eine junge Frau – Interview 10. März 2014: Ich lebe seit 34 Jahren in Deutschland. Ich bin als Kind her gekommen, habe die Schule besucht, eine Ausbildung gemacht und geheiratet. Deutschland und insbesondere Köln war erst meine zweite Heimat. Inzwischen ist es meine erste Heimat geworden, hier fühle ich mich wohl. Wie habe ich den Bombenanschlag erlebt? Es fällt mir jedes mal schwer, davon zu erzählen, denn jedes mal erlebe ich den Tag aufs neue. Es war am späten Nachmittag, das Wetter war schön und sommerlich. An diesem Tag haben wir Glück im Unglück gehabt. Denn um die Uhrzeit des Anschlags kam eigentlich immer ein Transporter mit Gasflaschen, der vielleicht auch einkalkuliert war, der die Restaurants und Konditoreien belieferte. Genau an die Stelle, wo es passiert ist. An diesem Tag ist der Transporter aber Ausnahmsweise schon am Vormittag gekommen, sonst wäre es schlimm ausgegangen. Dann hätten wir auch Tote gehabt – nicht nur Verletzte. Deswegen sage ich immer noch: Wir hatten Glück im Unglück. Aber diesen Tag will ich nicht noch einmal erleben.“
Im Anschluss ab Timecode 16:00 Auszüge eines weiteren Interviews mit einem Augenzeugen des Attentats. Dieser Zeuge interpretiert die Detonation im ersten Moment – wie viele andere Zeugen auch – als die Explosion einer Gasflasche. Er berichtet von einem schwarzen Mercedes Kastenwagen („Sprinter“) der auf der anderen Straßenseite genau gegenüber des Detonationsortes stand. Die Fahrerseite des Transporters soll durch die herumfliegenden Nägel erheblich beschädigt worden sein, zudem hätten sehr viele Nägel die Karosserie komplett durchschlagen.
Auch hier die brisanten Passagen als Transkript hier (Timecode 16:00):
„Ein anderer Mensch in der Keupstraße. Ich bin 57 Jahre alt und arbeite seit 19 Jahren auf der Keupstraße. Ja, das war natürlich ein sehr schlimmer Tag. Ich saß vor meinem Laden auf einem kleinen Hocker, da an dem Tag schönes Wetter war. Plötzlich gab es einen Knall und im ersten Augenblick hab ich nicht daran gedacht, dass es eine Bombe hätte sein können. Ich habe mich auf den Boden geschmissen, aber dann habe ich gesehen, dass ich drei Nägel in meinen Körper bekommen habe. Ich wusste nicht, was das war. Ich habe gedacht, dass vielleicht eine Gasflasche hochgegangen ist. Ich bin dann aufgestanden und hab geguckt, die Leute liefen blutverschmiert herum, das war schrecklich. Vor dem Laden stand ein so hoher Kastenbus. Direkt vor dem Friseurgeschäft. Darüber denke ich noch öfter nach. So ein Glück, dass der Bus da gestanden hat. Der Bus war voll von Nägeln. Hunderte Nägel sind in den Bus geflogen. Wenn der Bus nicht da gestanden hätte, wären alle diese Nägel hier auf die Menschen geschossen. Ich glaube, dann hätte es auch Tote gegeben. Aber dieser Bus hat sehr viel abgehalten. Die hatten ja geplant, dass es viele Tote hätte geben sollen. Es waren richtig große und stabile Nägel. Ich habe auch Glück gehabt – natürlich. Ich habe ja gesessen. Wenn ich gestanden hätte, wäre es noch schlimmer gewesen. Über meinem Kopf war so ein Regenablaufrohr. Da ist einer reingegangen: Direkt durch! Und ich habe mich nachher davor gestellt und es war genau in Kopfhöhe. Ich habe wirklich Glück gehabt.“
Mit großem Dank an Stefan für die Recherche-Hilfe!
Kurz nachdem am 13.04.2014 die ersten Meldungen über den mysteriösen Tod des früheren V-Manns Thomas R. (Deckname: „Corelli“) die Runde machten, explodierten die Besucherzahlen auf meinem Blog.
Der Text, der mit Abstand am häufigsten abgerufen wurde: „100. Prozesstag im NSU-Prozess. Götzls geplatzter Kragen: Nur eine Nebelkerze!“ In diesem Text geht es um die Vernehmung eines Zeugen, der ebenfalls Thomas R. heißt. Die Gemeinsamkeiten mit diesem Thomas R. und dem verstorbenen „Corelli“ beschränken sich lediglich auf den gleichen Vornamen und den gleichen Anfangsbuchstaben des Nachnamens.
Der Thomas R., der am 100. Prozesstag als Zeuge im NSU-Prozess vor dem OLG München aussagen sollte und – nebenbei bemerkt – hemmungslos gelogen und Erinnerungslücken vorgetäuscht hat, ist NICHT „Corelli“!
Sämtliche Kommentare zum oben genannten Text, die sich auf „Corelli“ beziehen, werde ich nicht freischalten.
Wie Carsten R. ist auch Thomas R. einer dieser extrem unangenehmen Zeugen aus dem unüberschaubaren Unterstützernetzwerk des so genannten NSU.
Thomas R. soll Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach ihrem Untertauchen im Jahr 1998 für ungefähr 14 Tage in seiner Wohnung im sächsischen Chemnitz aufgenommen haben. Auch war Thomas R. in der rechtsextremen Szene zumindest zu Beginn der neunziger Jahre höchst aktiv. Vor allem als Mitveranstalter rechtsradikaler Konzerte fiel Thomas R. auf. Deshalb sollte er im NSU-Prozess vor dem OLG München aussagen.
Thomas R. vor dem OLG München am 01.04.2014 – Foto: J. Pohl
Viele Zeugen aus dem Umfeld „der Drei“ sind in den vergangenen 100 Prozesstagen durch unverhohlen vorgetäuschte Erinnerungslücken, plötzlichem Gedächtnisverlust oder wegen Falschaussagen, vulgo Lügen in denkwürdiger Erinnerung geblieben. Bis zum 100. Prozesstag blieb dieses Verhalten völlig ungeahndet aber nicht unbeachtet.
Am heutigen symbolträchtigen 100. Prozesstag wollte der Vorsitzende Richter Götzl offenbar ein Zeichen setzen. Während der Vernehmung des Thomas R. war im Gerichtssaal plötzlich das Wort „Ordnungsmittel“ vernehmbar. Soweit nichts ungewöhnliches. Die Vertreter der Nebenklage führten diesen Begriff schon öfters ins Felde. Ordnungsgeld oder Beugehaft gehören untrennbar zu dieser Vokabel und sind auch schon öfters während der Hauptverhandlung gefallen. Aber eben niemals von Götzl selbst. Ein derartiges Ansinnen der Nebenklage wurde bisher ausnahmslos von der Generalbundesanwaltschaft oder vom Senat rigoros abgeschmettert.
Heute war alles anders: Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl höchstpersönlich sprach das Wort „Ordnungsmittel“ aus eigenem Antrieb und ohne dass von irgendeiner Seite ein entsprechender Antrag gestellt wurde, von selbst aus.
Die entscheidenden Minuten bis zu diesem bis jetzt einmaligen Ereignis in vollem Wortlaut:
Götzl: „Können Sie was zur Kleidung ‚der Drei‘ sagen?“
Thomas R.: „Kann sein, dass sie was dabei hatten, kann ich aber nicht genau sagen.“
Götzl: „Haben Sie Kleidung zur Verfügung gestellt?“
Thomas R.: „Möglich. Vielleicht ne Jogginghose oder so …“
Götzl: „Die ‚Drei‘ hatten eine Vorliebe für Computerspiele. Hatten die einen PC dabei?“
Thomas R.: „Die? Nee, ich hatte einen!“
Götzl: „und wie war es mit Videos?“
Thomas R.: „“Was wollen Sie wissen? Ob ich welche hatte? Ja! Ich hab immer noch welche.“
Götzl: „Hatten ‚die Drei‘ Waffen dabei?“
Thomas R.: „Nee …“
Götzl: „Wurde mal über Waffen gesprochen?“
Thomas R.: „Nein.“
Götzl: „Wurde mal darüber gesprochen, was zu tun ist, wenn die Polizei kommt?“
Thomas R.: „Die haben halt ‚Sachte‘ gemacht … Die sind nicht in Chemnitz rumgelaufen.“
Götzl: „Ich dachte, die waren mit Ihnen einkaufen?“
Thomas R.: „Ja, mit eenem.“
Götzl: „Eenem?“
Thomas R.: „“Einem.“
Götzl: „Waren Sie mal mit Zschäpe einkaufen?“
Thomas R.: „Möglich. Weiß ich nicht mehr.“
Götzl: „Gab es Gespräche mit einem oder drei der Personen über Fahndungsmaßnahmen?“
Thomas R.: „Wie jetzt? Wann? Hab mit niemandem darüber gesprochen.“
Götzl: „Das war jetzt nicht meine Frage.“
Thomas R.: „Nö.“
Götzl: „Haben Sie mal daran gedacht, sich an die Polizei zu wenden?“
Thomas R.: „Nö.“
Götzl: „Warum nicht? Wenn ‚die Drei‘ doch gesucht wurden?“
Thomas R.: „Nö.“
Götzl: „Überlegen Sie doch noch mal …“
Thomas R.: „Nö.“
Götzl: „Nö ist keine Antwort auf meine Frage.“
Thomas R.: „…“
Götzl: „Wurden Sie aufgefordert, mit niemandem darüber zu sprechen?“
Thomas R.: „Nö .., kam von mir aus. Hab ich von mir aus selber so gemacht.“
Götzl: „Kennen Sie André E.?“
Thomas R.: „Ja.“
Götzl: „Wie lange kennen Sie ihn?“
Thomas R.: „Weiß nicht. Durch Partys und Veranstaltungen eben.“
Götzl: „Wie gut kennen Sie ihn?“
Thomas R.: „Normal … Durch grüßen und so …“
Götzl: „Kannten Sie ihn schon als ‚die Drei‘ bei Ihnen einzogen?“
Thomas R.: „“Nein.“
Götzl: „Wenn Sie das so genau wissen ..?“
Thomas R.: „Muss 2003 oder 2004 gewesen sein. Ist aber nicht sicher.“
Götzl: „Welche Veranstaltungen meinten Sie denn da?“
Thomas R.: „Sportliche und Konzerte.“
Götzl: „Können Sie dazu Näheres sagen?“
Thomas R.: „Was soll ich dazu sagen?“
Götzl: „Na welche Sport ..“ (Wird von Thomas R. unterbrochen)
Thomas R.: „Volleyballturniere, Fußballturniere oder so …“
Götzl: „Sagt Ihnen ‚Blood & Honour‘ etwas?“
Thomas R.: „Ja.“
Götzl: „Was?“
Thomas R.: „Ist eine verbotene Organisation.“
Götzl: „Was ist das für eine Organisation?“
Thomas R.: „Na, ne ziemlich nationale. Das wird wohl jeder wissen.“
Götzl: „Und ’88‘? Was sagt ihnen das?“
Thomas R.: „Ja.“
Götzl: „Was?“
Thomas R.: „Ist ne Zahl, die mit irgend etwas in Verbindung gebracht wird.“
Götzl: „Nochmal: 88?“
Thomas R.: „Muss ich das jetzt sagen?“
Götzl: „Ja. So wie Sie sich verhalten. Ich muss ja alles, alles aus Ihnen herausholen.“
Thomas R.: „Das tut mir aber leid …“
Götzl: „Steht 88 für irgend etwas?“
Thomas R.: “ … “
Götzl: „Wofür steht die Zahl?“
– Pause –
Thomas R.: „Ich weiß es nicht.“
– Gelächter –
Götzl: „Beschreiben Sie mir doch diese Leute, diese ’88er‘ mal. Was waren das für Leute?“
Thomas R.: „Normale Leute eben. Konzerte, Partys haben wir gemacht.“
Götzl: „Wir? Beziehen Sie sich da mit ein?“
Thomas R.: „Ja, damals …“
Götzl: „Damals? Wann?“
Thomas R.: „1998? 2000?“
Götzl: „Haben die ’88er‘ etwas mit ‚Blood & Honour‘ zu tun?“
Thomas R.: „Eigentlich nicht.“
Götzl: „Hatten Sie was mit ‚Blood & Honour‘ zu tun?“
Thomas R.: „Eigentlich nicht.“
Götzl: „hatten Sie jetzt was mit ‚Blood & Honour‘ zu tun? Ja, oder nein“?
Thomas R.: „Bisserl was mitgemacht.“
Götzl: „Was ..?“
Thomas R.: „“Konzerte organisiert …“
Götzl: „Welche Konzerte? Gruppen?“
Thomas R.: „Verschiedene. Internationale Gruppen in Deutschland.“
Götzl: „Was mussten Sie machen? Was waren Ihre Aufgaben?“
Thomas R.: „Verschiedenes ..“
Götzl: „Bitte .., genauer.“
Thomas R.: „Mal Saalschutz, mal jemanden abholen.“
Götzl: „Wer gehörte aus Chemnitz dazu?“
Thomas R.: „Bin zu Veranstaltung hin, das war es dann auch schon …“
Götzl: „Ich fragte nach Leuten, mit denen Sie zu tun hatten.“
Thomas R.: „Das will und muss ich hier nicht sagen.“
Götzl: „Doch!“
Thomas R.: „Will nicht.“
Götzl: „Rechnen Sie mit Ordnungsmitteln!“
Thomas R.: „Ja.“
Götzl: „Wir machen jetzt 5 Minuten Pause. Überlegen Sie sich ob und was Sie Antworten wollen wegen Ordnungsmitteln. Es gäbe da z.B. Ordnungsgeld, Haft, und solche Dinge.“
– Pause von 14:50 bis 15:10 Uhr –
Götzl: Die Frage ist weiterhin Ihr Kontakt zu Personen im Zusammenhang mit ‚Blood & Honour‘. Sie sagten, Sie wollen nicht darauf antworten.
Thomas R.: „Will nicht. Ich hatte eine Hausdurchsuchung und ein Ermittlungsverfahren, dass noch nicht eingestellt ist.“
Götzl: „Bei welcher Staatsanwaltschaft?“
Thomas R.: „Glaube Dresden. Mario Sch. aus Dresden.“
Götzl: „Haben Sie da ein Aktenzeichen?“
Thomas R.: „Nicht hier. Zuhause.“
Götzl: „Gegen wen war das Verfahren gerichtet“?
Thomas R.: „Gegen mich und ‚Blood & Honour‘ ..!“
Götzl: „Dann eben nochmal 5 Minuten Pause.“
RA Hoffmann mischt sich ein und nennt die Fundstelle des Verfahrens
Götzl: „Also dann Pause bis 15:25 Uhr, um das abzuklären.“
Ab 15:35 Uhr wird weiter verhandelt.
Götzl: „Also, laut Auskunft der Staatsanwaltschaft ist das Verfahren eingestellt. Hatten Sie keine Kenntnisse darüber?“
Thomas R.: „Nein.“
Götzl: „Wir werden die Sache prüfen.“
Thomas R.: „Mir wurde nur mein Eigentum zurückgegeben.“
Götzl: „Wir werden die Einvernahme hier unterbrechen müssen, um ein eventuelles Schweigerecht zu berücksichtigen.“
Damit wird der Zeuge Thomas R. zumindest für diesen Tag nach Hause geschickt. Mit einer weiteren Vorladung hat er zu rechnen.
Thomas R. nach seiner Aussage vor dem OLG München am 01.04.2014 – Foto: J. Pohl
Bei welcher Stelle der Vernehmung dem Vorsitzenden Richter Götzl der „Kragen geplatzt ist,“ – so wie es in vielen Medien kolportiert wird – ist unklar und wird es vermutlich auch bleiben. Im besten Falle kann die Androhung eines Ordnungsmittels durch Götzl als eine „Nebelkerze“ angesehen werden, geschuldet dem 100. Prozesstag.
Thomas R. reiht sich damit in die unendlich lange Liste von Zeugen ein, die dem Gericht Erinnerungslücken vorspielten und stundenlange Lügengeschichten auftischten.
Der einzige Unterschied beim Zeugen Thomas R. besteht darin, dass erstmals vom Vorsitzenden Richter Götzl mit einem Ordnungsmittel gedroht wurde.
Götzl hätte bei vielen anderen Zeugen reichlich Gelegenheit gehabt, Zeugen mit Ordnungsmitteln an ihre Wahrheitspflicht zu erinnern.
An Beispielen mangelt es wahrlich nicht. Hier nur eine kleine Auswahl:
Juliane W., André Kapke, Carsten R., Jana J., Andreas Temme, Mandy S., Christine H. und ihr Sohn Alexander H., die Eltern von Uwe Böhnhardt, Prof. Mundlos, Sylvia und Alexander Sch., Benjamin G. nebst seinem Zeugenbeistand RA Volker Hoffmann, und, und, und …